dokumente.br

Bibliothek Rolândia

Die ehemalige Leihbibliothek des „Clube Germânico de Rolândia“ (im folgenden unter der Bezeichnung „Bibliothek Rolândia“) wurde der Universidade Federal do Paraná dank der Initiative der Herren Klaus Nixdorf und Pedro Bernardy gespendet. Die beiden Herren sind Einwohner der Stadt Rolândia, die mit ihren 60.000 Einwohnern zur Metropolregion Londrina gehört.

Rolândia war Schauplatz einer der interessantesten und bedeutendsten Episoden der politischen und ökonomischen Beziehungen zwischen Brasilien und Deutschland in den schwierigen Jahren zwischen 1930 und 1940, als - mutatis mutandis - beide Länder unter der Herrschaft diktatorischer Regierungen standen .

Die deutsche Initiative zur Besiedlung der Region, durch die die heutige Stadt Rolândia entstanden ist, wurde während der Weimarer Republik aus wirtschaftlichen Gründen unternommen. Oswald Nixdorf, der Gründer der Siedlung, ist im Dienst der „Gesellschaft für Wirtschaftliche Studien in Übersee“ am 25. April 1932 in Brasilien angekommen. Präsident der Gesellschaft war Erich Koch-Weser, früherer Innen- und Justizminister in der Weimarer Republik.. Ziel der Gesellschaft war es, zusammen mit der englischen Siedlungsgesellschaft „Paraná Plantations“ die Aktivitäten zur Kolonisierung auszuweiten . Ab Januar 1933, als Hitler an der Macht gelangte, befand sich das Projekt unter nationalsozialistischer Ägide , da die deutsche Siedlungsgesellschaft ein halbstaatliches Unternehmen war. Nichtsdestotrotz ist die Region dank der Kontakte, Aktivitäten und Überzeugungen der bereits angesiedelten Landwirte zu einem Schutzraum für Flüchtlinge aus dem Dritten Reich geworden, sowohl für Zentrumspolitiker wie Johannes Schauff und Erich Koch-Weser selbst, als auch für viele Familien mit jüdischen Wurzeln.

Eine dieser Familien war die von Oscar und Margarete Altmann. Oscar Altmann, vormals Direktor des Traditionsunternehmens Mannesmann, hatte Deutschland aus politischen Gründen verlassen müssen und ist nach Rolândia ausgewandert , wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1948 lebte . Es waren problematische Zeiten: die brasilianische Diktatur vertrat eine restriktive Einwanderungspolitik, und für Juden war die Migration noch mit zusätzlichen Schwierigkeiten verbunden.

Einer der Umstände, die damals passierten und heutzutage schier absurd klingen, ist die Tatsache, dass der Antrag auf ein brasilianisches Visum für die Mutter von Oscar Altmann, Helene, die damals 86 Jahre alt war und in Londres lebte, abgelehnt wurde - wahrscheinlich von einem ehemaligen Angestellten des Justizministerium namens Ernani Reis (E.R.) betrieben. Um die Ablehnung zu begründen, hat dieser die Nationalität der Antragstellerin erwähnt: „ Deutsche Jüdin“. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges und der diktatorischen Regierung Brasiliens unter dem Estado Novo konnte Helene ihren Sohn im Jahr 1946 wieder treffen. Oscar und Margarete hatten vier Kinder: Paul Altmann, der Älteste, lebte in Australien und seine Mutter 1958 besucht ; Gabriele und Friedrich Altmann sind 1939 zusammen mit den Eltern nach Brasilien gekommen; und Helene Altmann, die denselben Vornamen wie ihre Großmutter besaß, konnte sich ihren Eltern 1946 in Brasilien anschließen. (Die Informationen zu diesem Abschnitt wurden der Initiative dokumente.br freundlicherweise von dem Geschichtswissenschaftler Fábio Koifman mitgeteilt. Er ist der Autor des Buches Imigrante ideal: O Ministério da Justiça e a entrada de estrangeiros no Brasil (1941-1945) Editora Civilização Brasileira, 2013).

Helene Hinrichsen, der Name von Helene Altmann nach ihrer Heirat, war als Lehrerin tätig und hat einen langen Bericht über ihr Leben hinterlassen (laut FISCHER, 1998) und eine noch unveröffentlichte Übersetzung eines von Johannes Schauff geschriebenen Werks über die Geschichte Rolândias (1957, gegenwärtig im Centro de Documentação e Pesquisa Histórica da Universidade de Londrina verwahrt). Helene ist im Alter von 87 Jahren im September 2010 gestorben.

Das Leben von Familien wie der Familie Altmann in Rolândia ist durch Eigenschaften, wie hohe Kaufkraft, kulturelle Bildung und hoher Ausbildungsgrad, charakterisiert . Das hat den Angehörigen dieser Familien über Generationen hinweg ermöglicht, über die eigene Situation und über die zeitgenössischen geschichtlichen, politischen und sozialen Geschehnisse singulär nachzudenken - trotz des relativ begrenzten Standortes und der ideologischen Spannungen. Die Spuren dieser Geschichte und Stellungnahmen ihrer Handlungsträger sind in Dokumenten und Verzeichnissen noch sehr präsent, auch in der Gestalt und zusammensetzung der Bibliothek Rolândia, bei der viele von Einwohnern und Partnerinstitutionen unterschiedlichster Herkunft gespendete Bücher (meistens literarische Werke) zusammenkamen.

KONTAKT

  • Sala de Digitalização e Digital Humanities
  • Universidade Federal do Paraná
  • Rua Dr. Faivre, 405 – Reitoria
  • Edifício Dom Pedro II, térreo
  • 80060-140 - Curitiba/PR

  • (41) 3360-5446
  • dokumente.br@ufpr.br